Auch wenn man auf den ein oder anderen Moment nerventechnisch sicherlich hätte verzichten können: Das war Rugby, wie es sich Zuschauer nur wünschen können. 350 Fans verließen den Lionspark entweder fertig und glücklich (TSV) oder zumindest fertig und stolz (HRK). Was die beiden Teams gezeigt hatten, hatte den Unterhaltungswert eines Super-Rugby-Spiels der Südhalbkugel – und mit dem 46:45-Sieg für den TSV ein passendes Ergebnis.

Die Gäste vom Heidelberger Ruderklub starteten stark, Sean Armstrong legte nach einigen Sturmphasen per Hechtsprung im TSV-Malfeld ab. Postwendend kam aber die Antwort: Nikolai Klewinghaus bediente nach einem Gedränge Eden Syme, der durch die Ruderklub-Verteidigung schoss wie das Messer durch warme Butter. Nach Marcel Coetzees Erhöhung stand es 7:7. Doch der HRK kämpfte weiter: Wieder erspähte Armstrong eine Lücke und legte auf den mitgelaufenen Außen zum nächsten Versuch ab. Abermals konnten sich die Löwen bei Klewinghaus bedanken, der mit einem schönen Kick Marcel Coetzee fand, der im Sprintduell nicht zu schlagen war. Da auch die Erhöhung mit Hilfe der Stange ihr Ziel fand, übernahm der TSV die Führung und bekam langsam die gewohnte Sicherheit.

Bis zur Halbzeit zeigten die Löwen teils furiose Angriffe, besonders schön anzusehen waren Klewinghaus’ Sidestep mit anschließendem 50-Meter-Sprint oder Coetzees Weltklasse-Offload auf Atu Katoa. Mit einem deutlichen 39:12 wurden die Seiten gewechselt. Allerdings verleitete die klare Führung wohl einige Löwen zum verfrühten Feierabend im Kopf und das sollte sich rächen.

Atu Katoa, unser stämmiger Außen war wieder für einen Versuch gut. Foto:Fritz Bender

Denn die Gäste kamen fest entschlossen aus der Kabine und legten los wie die Feuerwehr. Konnte man ein, zwei Situationen noch mit einem “Naja, das wird nun auch nichts mehr ändern” abtun, drängte sich nach dem vierten HRK-Versuch infolge (!) der Gedanke auf, ob manche Handschuhsheimer den Ernst der Lage nicht erkennen wollten oder nicht konnten. Zum Glück konnte Gordon Hanlon einige indisponierte Akteure dann vom Feld nehmen und brachte zahlreiche frische Kräfte. Vor allem Christopher Korn zeigte die rechte Einstellung, die es für einen Sieg gegen den HRK braucht. Der junge Halb nahm nach einem Gedränge Herz und Quetsch fest in die Hand und stürmte los – bis ins Malfeld. Acht Punkte Führung waren wieder etwas besser. Doch der Ruderklub schlug durch Dash Barber nochmals zu, und die letzten fünf Minuten beim Stande von 46:45 kamen den Anhängern der Löwen wohl vor wie die Ewigkeit. Als Schiedsrichter Teppler abpfiff, wussten einige Spieler gar nicht, wie man sich eigentlich fühlen musste: Froh, stolz, traurig? Die Zuschauer applaudierten beiden Seiten laut und vollkommen verdient. Die erste Hälfte war klar in Löwenhand, aber das beinahe geglückte Comeback des HRK war aller Ehren wert und wäre das Match noch gedreht worden, niemand in Handschuhsheim hätte sich beschweren dürfen.

So steht unterm Strich eine Charakterprobe und die Erkenntnis, dass auf Spitzenniveau eben volle 80 Minuten Aufmerksamkeit vonnöten sind – keine weniger. Trotz der Punkte an denen das Trainerteam nun arbeiten muss und wird stehen weitere fünf Punkte zu Buche, die umso erfreulicher sind, als dass Verfolger RG Heidelberg sein Heimspiel gegen Luxemburg verloren hat und der TSV nun beste Chancen auf die erste Halbfinalteilnahme seit…ja seit wann eigentlich? Weiter so die Löwen!

TSV Handschuhsheim vs. Heidelberger RK 46:45 (39:12), TSV: Kößler – Innorcia, Coetzee, Syme, Katoa – Klewinghaus, Schäfer – Hug, F. Bayer, Spies – Klein, May – Schüle, Wetzel, Martel Eingewechselt: Müssig, Korn, Bender, Hartmann, Stockert, Jansen, Brunner Versuche: Syme, Coetzee, Innorcia, Klewinghaus, Katoa, Korn Erhöhungen: Coetzee (5) Strafkicks: Coetzee (2)